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Katholische Studierende Jugend Diözese Trier

Fragen grundsätzlicher Art der Saarbrücker Initiative an Bischof Dr. Stephan Ackermann

11. Februar 2012 | Kommentare deaktiviert für Fragen grundsätzlicher Art der Saarbrücker Initiative an Bischof Dr. Stephan Ackermann

am 11. Januar 2012 in der Cafeteria des Bischöflichen Generalvikariats

Wir meinen, dass die Kirche insbesondere vor dem Hintergrund ihrer eigenen prekären Situation, dringend den praktischen Glaubenssinn des Volkes Gottes braucht. Die Kirche lebt nur von der engsten Verbundenheit mit den Menschen. Denn wie sonst kann sie „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art“ teilen. Darin liegt nicht nur die Chance einer Lösung für die heute Abend besprochene Problematik, sondern auch die Chance einer Lösung, für die vielen Probleme der hierarchischen Kirche insgesamt. Nutzen Sie, Herr Bischof, das Potential des Volkes Gottes und seinen gesamten noch vorhandenen Glaubens- und Lebenssinn.

Vor dem Hintergrund, dass die Kirchenleitung offenkundig nicht angemessen mit sexualisierter Gewalt durch Priester umgehen kann, stellen wir folgende Fragen:

– Wie schwer wiegt für den Bischof der Verrat am Evangelium, wenn die Kirche sich nicht konsequent nach dem Beispiel Jesu an die Seite der Opfer stellt?
– Ist dem Bischof klar, dass es für ein Opfer den Heilungsprozess verhindert und es immer wieder neu traumatisiert, wenn ein Täter nicht suspendiert wird, sondern die offizielle Legitimation durch die oberste religiöse Instanz behält?
– Ist der Bistumsleitung klar, dass Opfer vor diesem Hintergrund dreimal missbraucht werden: Durch die sexualisierte Gewalt selbst – durch das Nichtanhören und Nichternstnehmen und durch die Geldzahlung mit dem Ziel, sich möglichst schnell von den Opfern zu trennen und keine weiteren Fragen an die Verantwortungsstruktur aufkommen zu lassen?
– Wurde in der bischöflichen Behörde alles dafür getan, den Schuldzusammenhang zu erkennen: dass Täter ein verengtes Priesterbild (repraesentatio Christi vs. repraesentatio Ecclesiae, vgl. hierzu ‚ Artikel von Eamonn Conway, Theologien des Priesteramtes und ihr möglicher Einfluss auf sexuellen Missbrauch, in: concilium, Internat. Zeitschrift für Theologie, August 2004, S. 308-322) und die Machtstruktur der Kirche nutzen können, um ihre Machtfantasien zu nähren und sich gegen die Schuldfrage zu immunisieren?
– Hat die Bistumsleitung begriffen, dass das Verschweigen der Taten der Strategie der Täter entspricht, die Verantwortung unsichtbar zu machen und auch so von den Opfern empfunden werden muss?
– Wer übernimmt die Verantwortung für die Fehler, die in den vergangenen
Jahrzehnten in der Personalverwaltung des Bistums gemacht wurden und deren
Folgen bis heute spürbar sind – zumindest für die Opfer?
– Hat der Bischof die sekundären Opfer wahrgenommen: die betroffenen Gemeinden, die MitarbeiterInnen, die Jugendarbeiter und Jugendarbeiterinnen seines Bistums?
– Ist dem Bischof klar, wie tief die Krise des Glaubens und des Vertrauens jetzt ist und was möchte er tun, um einen neuen Weg zu beschreiten?
– Ist dem Bischof klar geworden, dass auch die männerbündische Kultur in der Kirchenleitung ihren Anteil daran hat, gegenüber den Opfern blind und empfindungslos zu werden und bei Entscheidungen eher dem Schutz der Täter zu folgen als der Würde der Opfer?
– Hat der Bischof wahrgenommen, was es bedeutet, dass die Kirche sich als nicht verantwortungsbewusst und handlungsfähig gegenüber dem Staat und der Zivilgesellschaft erwiesen hat? (Beispiel Irland, wo der Staat nach drei Reporten und der erwiesenen Unfähigkeit der Kirche bereits Konsequenzen gezogen hat)

Änderungsvorschläge

Weil uns daran gelegen ist, dass wir als Kirche mit den Opfern, mit Kindern und Jugendlichen, solidarisch bleiben, machen wir der Bistumsleitung ein paar Vorschläge:

1. Die Sorge um die Opfer muss institutionell abgesichert werden; zunächst in Teil 3 der Richtlinien der dt. Bischofskonferenz:
Die Beurteilung der Sachlage durch den Bischof muss ergänzt werden durch den Blick auf den Täter aus der Sicht der Opfer und sekundären Opfer. Einem priesterlichen Verbrecher muss – unabhängig vom zeitlichen Abstand von den Taten – die Legitimation für Leitungsfunktionen und die Spendung aller Sakramente entzogen werden, denn sie sind Zeichen des Heiles, in den Händen eines Täters verwandeln sich in das Gegenteil.

2. Es muss eine unabhängige Kontrollinstanz eingerichtet werden, die von der Bistumsleitung anerkannt, aber außerhalb der Machtstruktur der Kirche aktiv ist und von allen angerufen werden kann. Zu ihr gehören Theologinnen und Theologen, JugendarbeiterInnen, MitarbeiterInnen von Opferorganisationen und staatlichen Einrichtungen.

3. Der Bischof richtet einen unabhängigen Beratungsstab ein, der in gleichen Teilen von Frauen und Männern besetzt ist. Er beruft nicht, sondern beauftragt den Katholikenrat und die demokratischen Laienverbände des Bistums, geeignete Personen zu entsenden.

4. Es wird endlich die Stelle einer unabhängigen Frauenbeauftragten im Bistum eingerichtet, wie sie die Frauenorganisationen seit ihrer Kampagne zur Gewalt in der Kirche 1993 fordern.

5. Um der Würde auch der Täter gerecht zu werden, sollte das Bistum die Täter darin unterstützen, ihre Schuld zu sehen und sie zu bekennen.

Alle Beiträge, Stellungnahmen und Hintergründe der letzen Jahre zum Themenkomplex sexualiserte Gewalt, Missbrauch und Prävention finden sich unter dem Tag → sexualiserte Gewalt.