„Wir brauchen Dich hier nicht, geh wieder nach Hause!“
Reflexion über das Wochenende der KSJ zum Thema „Willkommen in Deutschland?“ und den Sonntagnachmittag in der „Am Boden“-Ausstellung
Sonntagmittag füllt sich der Dachboden im KSJ-Haus. Drei besondere Gäste sind da, derentwegen die anderen gekommen sind: Eltaf aus Afghanistan, Denny aus Palästina und Pater Wolfgang Jungheim von den Arnsteinern. Er beginnt die Gesprächsrunde am Kleid, das still am Boden liegt mit den Sätzen: „Das Kleid dort könnte auch die Schwimmweste eines Flüchtlings im Mittelmeer sein, die es nicht gab, um das Leben zu retten. Oder die algenbesetzte Jacke eines Ertrunkenen, dessen Boot die Strecke zur spanischen Küste nicht überstanden hat.“ Es wird still im Raum, dann beginnt Eltaf von seiner Flucht zu erzählen. Er war fünfmal in Griechenland und Mazedonien in Gefängnissen, behandelt wie ein Verbrecher, unterversorgt und hungrig, obwohl er nur versucht hat, als 14-Jähriger dem Elend seines Landes zu entkommen. So langsam dämmert es unseren Behörden, dass über sog. Drittländer eingereiste Jugendliche vernachlässigt, missachtet und sogar übel behandelt werden. Aber das hält sie nicht davon ab, durch schikanösen Umgang das Signal zu setzen: Wir brauchen Dich hier nicht, geh wieder nach Hause! So hat es auch Denny erfahren, der sieben Jahre schon hier ist, fleißig gearbeitet und dennoch seine Arbeitserlaubnis wieder verloren hat. Am Ende seines Erfahrungsberichtes mit den deutschen Ausländerbehörden, die sich in manchen Landkreisen eher als Ausländerpolizei verstehen, ist zu spüren, dass er mit seiner Kraft am Ende ist. Eltaf hat auch Tränen in der Stimme und mancher von den Zuhörenden kann seine Betroffenheit nicht verbergen. Es ist völlig klar, dass wir unserem Land den zynischen Umgang mit solch motivierten, arbeitsbereiten und fähigen Jugendlichen nicht weiter gestatten dürfen. Es ist auch gar nicht einzusehen, warum unsere Gesellschaft auf diese Potential verzichten sollte. Wir haben schon konkrete Ideen. Wir unterstützen die Gründung einer JOG-Gruppe im Bereich Trier – denn Selbstorganisation dieser Jugendlichen ist der beste Weg, der wachsenden Verzweiflung über die Perspektivlosigkeit zu entgehen. Die JOG („Jugendliche ohne Grenzen“) gibt es noch nicht so lange, aber sie ist wichtig für die Jugendlichen ohne Papiere, damit sie sich nicht so allein fühlen, sondern sich gegenseitig stützen. Es ist eine pfiffige und kreative Organisation, die u.a. mit dem Grips-Theater Berlin zusammenarbeitet und natürlich mit ProAsyl. Die Jugendlichen ohne Papiere brauchen eine Lobby und damit die Wahrnehmung der menschlichen Ungeheuerlichkeiten, die unser System – rechtlich abgesichert – liefert. Wir werden uns als KSJ auch an unseren Bischof wenden, damit er diese Gruppe von übersehenen Menschen in das öffentliche Interesse rückt.
Am Kleid war nur eine Stunde Zeit, sich über all das zu informieren. Die KSJ hatte schon das ganze Wochenende mit den dreien und mit Volker Maria Hügel von ProAsyl zugebracht. Das war anstrengend, aber gut. „Wir sind realistisch an das Thema herangegangen, aber dass es so schlimm ist, hatten wir nicht vermutet“, so einer der Teilnehmenden. Den Blick offen halten für Flüchtlinge in unserer Nähe, kritisch bleiben und in sich die Fähigkeit zur Solidarität wach halten, dann kommen wir Jesus nahe, dann tragen wir sein Gewand – das war der Inhalt der abschließenden ermutigenden Gebete.
Am nächsten Sonntag spricht Georg Mertes vom Förderverein der Gedenkstätte KZ Hinzert:
„Wie aus normalen Männern Massenmörder werden“. um 14.30 Uhr – auf dem Dachboden im KSJ-Haus.
Alle Beiträge zum Projekt “Am Boden – Das Kleid einer KZ-Überlebenden ” finden sich unter dem Tag → “Am Boden”-Ausstellung