Sommerfahrt einmal anders
Bericht Studienreise nach Thüringen, Sachsen und Berlin
Es ist unmöglich, all die Programmpunkte anzureißen, die unsere Fahrt in diesem Jahr enthielt. Vielleicht lag es auch daran, dass wir weder Mühe mit Zelten, noch mit zu vielen Kilometern, noch mit einer fremden Sprache hatten (außer sorbisch), dass wir uns so viel vornehmen konnten. Wegen der bevorstehenden Ruandareise war die Gruppe nicht so groß, aber dafür umso netter! Erste Station nach der Wartburg war Erfurt (tolle Altstadt!). Wichtiger war in der Nähe der Besuch in Buchenwald und bei der Firma Topf&Söhne, den Ofenbauern der Krematorien von Auschwitz. Ein weiteres Mosaiksteinchen in unserer zentralen Frage nach der Auschwitzfahrt: Wie kann es zu einem solche ungeheuerlichen Ausmaß an Unmenschlichkeit kommen? Bei der Firma stießen wir auf die Antworten „beruflicher Ehrgeiz“ und „Faszination durch die Technik“. Dass Hartmut Topf, der letzte aus der Familie der Firmeninhaber, das Gebäude als Gedenkstätte zur Verfügung stellt, macht es möglich, die Entwürfe, Korrespondenzen und Verträge einzusehen; so bekommt die Ungeheuerlichkeit ihren „sachlichen“ Hintergrund.
Wir tauchten an einigen Punkten tief in die deutsche Geschichte und Kultur ein: Wie man in der Kaiserzeit in der Schulbildung die Charaktere von Kindern verbogen hat und wie aufdringlich das DDR-Schulsystem war, konnten wir im Schulmuseum an zwei exemplarisch durchgespielten Schulstunden am eigenen Leib erleben. Dr. Sascha Lange wies uns in seinem Vortrag darauf hin, dass es in Leipzig eine alte Tradition von mutiger und aufmüpfiger Jugend gab („Die Leipziger Meuten in der NS-Zeit“ heißt sein Buch), was vielleicht auch mit den späteren Montagsdemos zu tun hat…Erschreckend die Stasi-Bespitzelung und das Stasi-Gefängnis in Bautzen; so menschenverachtend hatte sich das kaum einer vorgestellt. Schön war es, mitten im Sorbenland zu wohnen: Die starke katholische Identität hat was für sich, lässt aber auch die Frage aufkommen, ob diese „heile Welt“ real ist und sich halten kann. Egal, die Begegnung mit den Jugendlichen war offen und lustig (prima Essen, Tänze, Singen, Schwedenfeuer..) und endete am Samstagabend in einer heftigen Fete…Am schönsten vielleicht: Der Besuch der Krabatmühle in Schwarzkollm. Krabat ist einer der sorbischen Helden; der Sage nach besiegt er ja den schwarzen Müller, nachdem er selbst gemeinsam mit den elf Müllerburschen die „schwarze Kunst“ gelernt hat. Die Historie: Ein Kroate (das bedeutet Krabat) war es, der wie mit Zauberhand und viel Arbeit und Überlegung die Sümpfe im Sorbenland trockenlegte und den armen Bauern zu einer sicheren Existenz verhalf. Es gibt eine Verfilmung, die aber der realen Landschaft nicht entspricht. Die alte Mühle in Schwarzkollm ist wieder aufgebaut, Martin Huck (ja, unser Maddin vom Baumhaus!) hat da maßgeblich mitgearbeitet.
Heute kann man dort rundwandern und im Schatten der alten Gemäuer und Gewerke Plinse mit Butter, Zimt und Zucker essen (zwei machen satt, wir haben es ausprobiert!). Halt, Dresden nicht vergessen, das sog. „Elbflorenz“. Dank Rainer hatten wir eine prima Stadtführung und lernten auch das alternative Dresden kennen. Also nicht nur die wiederaufgebaute Frauenkirche, die Elbterrassen und das ganze Panorama der Stadt, sondern auch die vollautomatisierte Fertigung von Audi, den besten Kebap und das Open-Air-Kino in den Elbwiesen (mit Tim und Struppi!).
Paddeln in den Kanälen des Spreewaldes war ganz speziell; da gab es schon mal nach vielen Stunden „Kreuzfahrten“…Gewohnt haben wir vor allem in kirchlichen Häusern, auch das ging aufgrund der Spezi-Kennntnisse von Rainer. Die Kontakte in Berlin hatte uns Verena Mosen (Ehem. KSJlerin aus Bendorf, die dort seit 6 Jahren wohnt) vermittelt: Ein Besuch in der schönsten Moschee der Stadt mit Einladung zum Fastenbrechen und die Unterkunft im Regenbogenhostel, einem alternativen Projekt mitten in Kreuzberg in der Nähe des Landwehrkanals. Zumächst das „Übliche“ in Berlin auf der Linie 100: Checkpoint Charly, Brandenburger Tor, Bahnhof Friedrichstraße und Tränenpalast, Reichstagsgebäude, Bundeskanzleramt, Museumsinsel – später dann eher alternative „Ecken“, in denen wir uns mit Becky und anderen von der KSJ Berlin trafen. Unser Gottesdienst (nach sorbisch und muslimisch eher eine Kurzform) fand dann als GIMP in der Gedenkstätte Plötzensee statt, in Erinnerung vor allem an P. Alfred Delp und Maurice Bavaud, die hier hingerichtet wurden. Dann blieb nur noch die Zeit, zur Mauergedenkstätte in die Bernauerstraße und zur Neuen Synagoge zu gehen und den Abend im „Aufsturz“ zu verbringen.
Zwei Ideen wurden durch die Eindrücke geboren: Das nächste OBST in Berlin zu machen und die Mittelstufensommerfahrt als Kombination von Krabatweg und Paddeln im Spreewald.
Die Gruppe war prima, Kochen, Spülen, Autofahren usw. hat alles gut geklappt. So macht der Sommer Spaß!