KSJ Trier

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Katholische Studierende Jugend Diözese Trier

Stellungnahme zur Silversternacht in Köln

1. Februar 2016 | Kommentare deaktiviert für Stellungnahme zur Silversternacht in Köln

„August der Schäfer hat Wölfe gehört, Wölfe mitten im Mai
Zwar nur zwei, doch der Schäfer, der schwört:
Die hätten zusammen das Fraßlied geheult, das aus früherer Zeit…“

Franz Josef Degenhardt – Wölfe mitten im Mai

 

Worum geht es in der Diskussion und den Stellungnahmen zu der Silvesternacht in Köln? Es geht um massive sexualisierte Gewalt gegen Frauen und um offenen Rassismus, der plötzlich an Stellen sichtbar wird, an denen einige Wochen zuvor noch die Rede von einer Willkommenskultur und Herzlichkeit stand (Ob die Rede von Willkommenskultur und Herzlichkeit zutreffend war, ist allerdings eine andere Frage).

Die sexualisierte Gewalt, die die betroffenen Frauen in der Silvesternacht in Köln und in anderen Städten erfahren haben, ist schrecklich und verachtenswert. Und sie ist zu verurteilen. Es ist richtig, dass die Männer, die diese Gewalt ausgeübt haben, zur Rechenschaft zu ziehen und strafrechtlich zu belangen sind. Den Frauen wird aber nicht geholfen, wenn die Vorfälle instrumentalisiert werden, um Hetze gegen Geflüchtete zu treiben.

Sexismus ist abartig. Und Machokulturen sind verachtenswert. Nicht weniger verachtenswert ist es aber, die beiden Phänomene gerade in der aktuellen Situation unreflektiert mit der Frage nach der Flüchtlingspolitik zu verknüpfen[1]. Parteien und Menschen, die bisher sexistische Strukturen verteidigt und eine Kultur des Sexismus gefördert haben, entdecken plötzlich ihre Liebe zu Frauenrechten.

Im gleichen Atemzug tun sie so, als wären die fliehenden Menschen verantwortlich für die Folgen einer patriarchalen Gesellschaftsstruktur, dessen Ausdruck die sexualisierte Gewalt ist.

Frauenverachtung und sexualisierte Gewalt gegen Frauen gibt es nicht nur in Deutschland. Das ist richtig. Aber Frauenverachtung und sexualisierte Gewalt gibt es auch in Deutschland. Vergewaltigung in der Ehe gilt in Deutschland erst seit 1997 als Straftatbestand (Übrigens lohnt es sich nachzuvollziehen, welche Fraktionen und Menschen sich über Jahrzehnte hinweg gegen die dafür notwendige Gesetzesänderung gesträubt haben und die Liste der betreffenden Fraktionen und Menschen mit denen abzugleichen, die in der aktuellen Diskussion lautstark für den Schutz von Frauen gegenüber sexualisierter Gewalt eintreten). Die Missbrauchsfälle in der Kirche, in Internaten und Schulen, die Vorfälle auf Großveranstaltungen (Oktoberfest, Musikfestivals, Karneval…) sind nur die Spitze des Eisbergs und weisen auf ein enormes Gewaltpotential hin, das unter der scheinbar biedermännischen Oberfläche haust. Warum kräht kein Hahn nach den sexualisierten Übergriffen gegenüber Frauen auf Karnevalsveranstaltungen, dem Oktoberfest, auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln? Diese Perspektive in die Debatte aufzunehmen, würde eine wirkliche Prävention ermöglichen und würde den Betroffenen tatsächlich helfen, weil ihre Betroffenheit nicht instrumentalisiert, sondern ernst genommen wird.

 

Die Debatte aber, die in weiten Teilen Deutschlands gerade angeheizt wird, ist von einigen Ausnahmen abgesehen[2] nichts als Zunder auf das Feuer der rechten Hetzer*innen.

Die Tatsache, dass sich Geflüchtete durch diese braun gefärbte Diskussion in die Rolle gedrängt fühlen, sich offiziell für das entschuldigen zu müssen, was in Köln passierte, ist beschämend. So wird die Gewalt potenziert, nicht bekämpft. Den Wölfen, die in den vergangenen Monaten Wohnungen von geflüchteten angezündet haben, wird hier auf Kosten der Betroffenen von Köln eine Bühne geboten, die sie noch nicht einmal betreten müssen. Sie können entspannt im Hintergrund warten, bis die bürgerlichen Akteur*innen das Spiel so weit getrieben haben, dass die Stimmung kippt.

 

An dieser Stelle geht es darum, klar Stellung gegen Rassismus und Sexismus zu beziehen. Es geht nicht darum, die sexualisierte Gewalt gegen Frauen zu instrumentalisieren, um Hetze gegen Geflüchtete zu betreiben, sondern die Sicht auf die gesellschaftliche (Re)Produktion des Körpers- diesem Falle auf des weiblichen Körpers- zu ändern. Politische Aufklärungsprojekte zu diesen Themen müssen gestärkt und in den Vordergrund gerückt werden, Beratungs- und Interventionsstellen für sexualisierte Gewalt müssen unterstützt und sichtbar gemacht werden. Letztlich bedeutet das, das Verhältnis der Geschlechter konstruktiv zu analysieren, zu kritisieren und durch Aktionen Missstände zu beseitigen.

 

 

[1] Vgl. etwa die Diskussion am 17.1.2016 in der ARD bei Anne Will: http://daserste.ndr.de/annewill/-Nach-Koeln-Hoechste-Zeit-fuer-eine-neue-Fluechtlingspolitik-,annewill4450.html, Abruf am 21.1.16

[2] Vgl. etwa die Stellungnahme von Susanne Völker von der Uni Köln (http://www.hf.uni-koeln.de/37886) oder von Pinkstinks: https://pinkstinks.de/die-koelner-silvesternacht-oder-das-habt-ihr-jetzt-davon/, Abruf beide am 30.1.16.