„Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken“
Stellungnahme der KSJ Trier zu den Anschlägen auf ein Asylbewerber_innenheim in Rostock und zu „Mos marioum“
In der Nacht vom 11. auf den 12. Oktober wurde in Rostock ein Heim, in dem 8 Familien untergebracht sind, die auf Asyl hoffen, angegriffen und mit Brandsätzen beworfen. 20 Jahre nach den Anschlägen in Hoyerswerda und Lichtenhagen besteht der faschistische Mob weiterhin fort und manifestiert sich in diesen Attentaten aufs Neue.
Es ist eine Schande, dass solche und ähnliche Gräuel immer wieder geschehen. Neben staatlich geplanten Schikanen, etwa im Asylrecht oder durch die Bundespolizei. Neben systematischen Übergriffen und Demütigungen durch Sicherheitsangestellte in Asylheimen.
Wir fragen uns, wer hier vor wem geschützt werden muss. Deutschland vor einer „Überflutung“ durch Flüchtlinge? Welcher Flüchtling hat je einen deutschen Polizisten nach seiner Herkunft ausgefragt, nur weil dieser eine weiße Haut hat? Welcher Flüchtling hat je eine Gruppe Deutscher durch Straßen gejagt, mit Flaschen beworfen und gedroht sie umzubringen, nur weil diese „komisch gucken“? Welcher Flüchtling hat sich je den Spaß gemacht ein Boot voller Europäer zu rammen und zum Kentern zu bringen, nur weil es die Befehle so wollen? Es sind die Flüchtlinge selbst, die, nachdem sie die Mauern der Festung Europa überwunden haben ohne zuvor ertrunken zu sein oder von Frontex- Soldaten aufgegriffen wurden, noch vor der Gewaltbereitschaft und den Aggressionen unverbesserlicher Dummköpfe geschützt werden müssen.
Im Zuge des Bekanntwerdens der Demütigungen von Flüchtlingen in ihren Unterkünften vor einigen Wochen, sagte der Regierungssprecher Steffen Seibert, Deutschland sei ein menschenfreundliches Land, in dem die Würde des Menschen geachtet würde. Man fragt sich, wie zynisch diese Worte auf Menschen wirken, die nachts in einem fremden Haus mit ihren Kindern und anderen Geflüchteten hocken, während draußen ein Mob auf der Straße umherzieht, pöbelt und Brandsätze auf das Haus wirft. Und wir fragen uns, wie sich diese Angst wohl anfühlt. Wie ist es, die eigene Heimat verlassen zu müssen, nach einer langen und gefährlichen Reise, in einem fremden Land anzukommen und so begrüßt zu werden?
„Deutschland, das Land der Dichter und Denker“- Dichter vielleicht, aber mit dem Denken scheinen einige große Schwierigkeiten zu haben. Die Kämpfe im Nahen Osten, in Syrien und in der Türkei sind täglich in den Nachrichten. Genügen diese Bilder nicht, um froh zu sein über jeden Menschen, der es trotz alledem bis nach Deutschland schafft?
Wir fordern, dass die Anschläge umgehend und umfassend aufgeklärt und die Attentäter zur Rechenschaft gezogen werden. Weiterhin rufen wir zur Solidarität mit allen geflüchteten Menschen auf. Wir setzen uns mit all unserer Kraft dafür ein, dass Flüchtlinge nicht mit Brandsätzen „begrüßt“ werden, sondern mit Verständnis und Mitgefühl.
In einem knappen Monat jährt sich die Reichspogromnacht zum 76. Mal. Zum 76. Mal jährt sich damit das Symbol dafür und die Erinnerung daran, wohin Rassismus und Dummheit führen, wenn nur genug Menschen sich darin einig sind, mitzumachen oder aktiv wegzuschauen. Die jüdisch- christliche Tradition setzt diesem Szenario zwei andere Motive entgegen: Die compassion und die memoria passionis[1]. Die Fähigkeit zur Wahrnehmung des Leidens anderer und das Bewahren dieser Erinnerung. Wer fremdes Leid wahrnimmt, kann ihm und den betroffenen Menschen gegenüber nicht gleichgültig bleiben. Sie_er muss sich solidarisch zeigen.
Leider zeigt sich gerade im Augenblick wieder an See- und Flughäfen sowie Bahnhöfen wie (un)gern die Menschen von staatlicher Seite aus gesehen sind. Dieser Tage fällt die massive Polizeipräsenz an diesen Plätzen auf. Sie hängt mit der europaweiten Aktion l „mos maiorum“[2] zusammen. Jene wird von Flüchtlingsorganisationen und antirassistischen Gruppen als gezielte Jagd auf sogenannte „Illegale“, also Menschen ohne gültige Papiere, aufs Heftigste kritisiert. Auch der Vorwurf des verbotenen „Racial profiling“ steht in diesem Zusammenhang im Raum.
Eine Willkommenskultur sieht anders aus! Man fragt sich, wie Aktionen wie „mos maiorum“ mit dem oben zitierten Ausspruch Steffen Seiberts vereinbar sein kann. In unseren Augen ist er das definitiv nicht. Wenn Ihr Zeuge einer solchen Kontrolle werdet, mischt Euch ein und fragt die Polizist_innen nach Ihren Dienstnummern. Im Zweifelsfall versucht, Öffentlichkeit herzustellen. Falls Ihr mitbekommt, dass Menschen von der Polizei abgeführt werden, dokumentiert den Vorfall. Es gibt Websites, auf denen man solche Vorfälle melden kann, zum Beispiel: http://map.nadir.org/ushahidi/
Refugees welcome- bring your families!
[1] Johann Baptist Metz, memoria passionis. Ein provozierendes Gedächtnis in pluralistischer Gesellschaft, Freiburg im Breisgau 2006.
[2] http://www.taz.de/!147546/, Abruf am 18.10.14