Bericht „Europa am Tiefpunkt“ und Verdunfahrt am 2. Juli 2016
Die Ausstellung der KSJ „Europa am Tiefpunkt – Verdun 1916“ in der Pallottikirche findet gute Resonanz; viele Besucherinnen und Besucher erinnern sich an Fotos im Familienalbum, das den Großvater oder Onkel in der damaligen Soldatenuniform zeigt. Sie erinnern sich auch daran, dass die Heimkehrer meistens das Schreckliche des Krieges verschwiegen, die Kameradschaft im Feld aber gelobt haben. Mit diesem Schweigen bricht die neue Ausstellung im „Memorial“ in Verdun, das eine Gruppe von Gottesdienstbesucherinnen und –besuchern der Pallottikirche besichtigt hat. Es wurde für das 100-Jährige Gedenken völlig umgestaltet. Hier steht nicht mehr der „heldenhafte französische Soldat im Dienst des Vaterlandes“ im Mittelpunkt oder die militärische Aufrüstung der damaligen Zeit, sondern ein kritischer Blick auf das Elend der Jungen und Männer in den verschlammten Schützengräben auf beiden Seiten. Zu jedem Themenfeld dieser schrecklichsten Schlacht des 1. Weltkrieges gelingt die Darstellung der beiden verrannten Kriegsparteien: die verfehlte Politik, die Kriegspropaganda, die bedrückenden Briefe aus dem Schlachtfeld nach Hause, die Kriegswaisen, die entstellenden Verwundungen und tiefen Traumatisierungen, die irren und ständig wechselnden Angriffspläne. In allen Stäben auf beiden Seiten dienten meist intelligente, nicht selten humanistisch gebildete Offiziere. Doch die nationale Idee überlagerte ihr nüchtern-operatives Denken oder setzte es Zwängen aus, denen schwer zu entkommen war. „Hier müsste das Europa-Parlament jedes Jahr einmal tagen, damit nochmal klar ist, wozu wir Europa gegründet haben“, so einer der Teilnehmer dieser Fahrt nach Verdun. Das berühmte Beinhaus birgt die nicht identifizierten Gebeine von unzähligen Toten; die endlosen Gräberreihen versuchen, ihnen ihre Würde zurückzugeben, die ihnen im Schlamm von Verdun genommen war. Ganz still wird es am Bajonettgraben; die Verschütteten, deren Bajonettspitzen noch herausragen, sind wohl die bedrückendsten Zeugen dieses sinnlosen Massensterbens. Wer durch die Tiefen des Fort Douaumont geht, kann der Angst der Soldaten nahe kommen, die hier dem Höllenlärm des Dauerbeschusses ausgeliefert waren. Hier liegen noch über 600 tote deutsche Soldaten, die nach einem Angriff einfach in einen Gang eingemauert wurden. An diesem Ort und in der Kapelle eines der zerstörten Dörfer im Gelände bleiben jedem Besucher und jeder Besucherin nur die stille Trauer und das Gebet. Verdun, darin war sich die Gruppe einig, ist die ständige Mahnung, die Idee eines gerechten und friedlichen Europa nicht aufzugeben, das sich seiner Verantwortung bewusst ist und eine Solidargemeinschaft für die Schwachen bildet. Das ist eine wichtige Erinnerung in einer Zeit, in der Europa in der Gefahr ist, wieder National- oder persönlichen Machtinteressen eigenmächtiger Politiker geopfert zu werden.
Die Ausstellung „Europa am Tiefpunkt – Verdun 1916“ ist noch bis zum 10.7. in der Pallottikirche in Vallendar zu sehen.
Jutta Lehnert
Pastoralreferentin im Dekanat Koblenz