Prävention sexualisierter Gewalt
Die KSJ Trier nimmt am Programm der Ansprechpartner_innen für sexualisierte Gewalt teil. Infos und Kontakte finden sich →hier
Die Prävention sexualisierter Gewalt ist der KSJ Trier ein wichtiges Anliegen und so beschäftigen wir uns schon länger mit diesem Thema auf gesellschaftlicher, kirchenpolitischer und verbandlicher Ebene (alle entsprechenden Beiträge und veröffentlichten Stellungnahmen finden sich unter dem Tag → sexualisierte Gewalt).
Eine Auseinandersetzung mit den eigenen Strukturen, das Konzipieren von Maßnahmen und Plänen und deren Umsetzung, Überprüfung und Anpassung verstehen wir dabei als einen nicht abschließbaren, den gesamten Verband übergreifenden Prozess.
Auf der Diözesankonferenz vom 18.02.2017 wurde schließlich das folgende vorläufige Präventionskonzept für die KSJ Trier vorgestellt und diskutiert. Dessen Abstimmung erfolgt voraussichtlich im Herbst 2017.
(Das Konzept findet ist auch →hier als pdf-Datei downloadbar)
Arbeitspapier Präventionskonzept der KSJ Trier
(eingesehen von der Diözesankonferenz der KSJ Trier in Rascheid am 18.02.2017, Abstimmung voraussichtlich im Herbst 2017)
1. Konzept der NAWU
Innerhalb der Gruppenleiter_innenschulung (Nachwuchsgruppenleiter_innenschulung, kurz NAWU) der KSJ Trier findet das Thema Prävention bzgl. sexualisierter Gewalt einen Schwerpunkt. Ausgehend von der Pädagogik der Demokratie- und Menschenrechtserziehung und Partizipation ist es für die KSJ als Jugendverband wichtig, den angehenden Gruppenleiter_innen dieses Thema auf einer breiten Basis zu vermitteln.
Einzelne Themengebiete werden daher in der Schulung und gesamten Verbandsarbeit bearbeitet:
1) Grundwissen zum Thema Kindeswohlgefährdung
In diesem Thema werden die rechtlichen und wissenschaftlichen Grundlagen des Themengebietes der Kindeswohlgefährdung behandelt. Inhaltlich arbeitet die KSJ an dieser Stelle mit der Broschüre „Kinder schützen – Eine Information für (ehrenamtliche) Gruppenleiter_innen in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit“ der Fachstelle für Kinder und Jugendpastoral im Bistum Trier.
2) Grundwissen über Täter_innenstrategien
Sexualisierte Grenzverletzungen sind kein Zufall.
„Die Strategien, auf die Täter allergrößte Sorgfalt verwenden, richten sich zugleich nach mehreren Seiten:
– nach außen, um ein Eingreifen auszuschließen
– gegenüber dem Opfer, um es gefügig und wehrlos zu machen
– gegenüber der Mutter (oder einer anderen weiblichen Bezugsperson), um ihre Wahrnehmung zu vernebeln und sie vom Kind emotional abzuspalten. Dadurch traut sie weder ihrer eigenen Wahrnehmung noch glaubt sie den Hinweisen des Kindes oder sie wird vom Täter dazu gebracht, den Missbrauch zu dulden oder sogar zu fördern“.[1]
Täter_innen beobachten, oft jahrelang, das Umfeld der Betroffenen und entwerfen somit ein Konzept der Wehrlosigkeit, der vollkommenden Unsichtbarkeit der Tat und des Schweigens. Die Täter_innen finden sich meist im direkten Umfeld des Kinders, der_des Jugendlichen oder des jungen Erwachsenen (Familie, Verwandte, Sportleiter_in, Lehrpersonen oder Nachbar_innen…), stellen sich der Öffentlichkeit als eine „nette und hilfsbereite Person“ da um den Verdacht der Täter_innenschaft bereits im Vorfeld auszuschließen. Wenn die Betroffenen sich bereits in einer Spirale auf Gewalt, Macht und Schweigen befinden, ist es ihnen kaum möglich, dieser zu entfliehen. Zentral ist an dieser Stelle auch die Strategie der Schuldzuschreibung durch die_den Täter_in:
„(…) Sie hätte sich doch wehren können, warum hat sie keine Hilfe geholt, es hat ihr wohl auch gefallen, sie hat den Täter wohl provoziert…“ sind Sätze, in denen sich entsprechende Einstellungen widerspiegeln.
Die Übertragung der Verantwortung auf das Opfer ist ein wesentliches Ergebnis der Strategien des Täters, mit denen er sich zum einen rechtfertigt und entlastet, zum anderen aber auch den Mißbrauch einfädelt und durchführt. Dabei setzt er an Defiziten des Kindes an bzw. sorgt dafür, daß Defizite entstehen, um diese für sich nutzen zu können: >>Wenn ich mir meine Geschichte anschaue, dann habe ich das Gefühl, eines der größten Gefährdungspotentiale ist es, dieses ungeliebte Kind zu sein, nach Anerkennung und Liebe sich zu sehnen, nach Wärme und Geborgenheit, die die einem natürlich überhaupt nicht geben, aber die einem vorgaukeln, das zu geben und die einem vorgaukeln, das ist Liebe und das ist Nähe und das ist Zuwendung. Und dabei instrumentalisieren sie dich bis zum Erbrechen<<“.[2]
Oberflächlich lassen sich sechs Schritte, im Vorgehen einer_eines Täterin_Täters skizzieren:
- Konkrete und langfristige Planung
- Beobachtung des Umfeldes der betroffenen Person und abschätzen der Vor- und Nachteile
- Annäherung, sexualisierte Anspielungen und Testen der Reaktion
- Welche Lücke muss bei der betroffenen Person gefüllt werden? Wo kann die_der Täter_in „einspringen“ = Schaffung eines Abhängigkeitsverhältnisses
- Durchführen der Tat, mehrfach
- Schützen der_des Täterin_Täters durch das Umfeld; Schweigen beim Betroffenen erzeugen
Dieses Wissen ist für die angehenden Gruppenleiter_innen von hoher Wichtigkeit und zeigt klar, wie Täter_innen vorgehen und in welcher Situation sich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen befinden können.
3) Verhalten von Betroffenen von sexualisierter Gewalt und Entlastung der Teamer_innen
Um als Gruppenleiter_in auch im konkreten Fall richtig zu handeln, ist es wichtig, Zeichen zu erkennen. Hierbei steht für den Verband vor allem der Schutz der Teamer_innen selbst im Vordergrund. Sicherlich ist es möglich, durch körperliche Merkmale oder ein verändertes Verhalten bei einem Kind oder Jugendlichen Zeichen einer Grenzverletzung oder Misshandlung zu erkennen, jedoch trifft dies nicht auf alle Betroffenen zu.
Die KSJ nimmt jedes Kommunizieren von Ehrenamtlichen ernst, auch wenn diese sich nicht immer sicher sind. Nach der Aussprache eines Verdachtes liegt es in der Hand der Hauptamtlichen und der Präventionsbeauftragten, den Fall weiterhin zu betreuen und die Gruppenleiter_innen aus der direkten Verantwortlichkeit zu entlassen. So werden letztere entlastet und geschützt, dennoch wird ihnen eine Ernsthaftigkeit und ein „Zuhören“ und „Ernst-nehmen“ signalisiert.
4) Teamer_innen als Vorbild für Kinder und Jugendliche
Durch das Unterzeichnen der Selbstverpflichtungserklärung (Vorlage BDKJ) erkennen die Gruppenleiter_innen, welche große Rolle sie als Vorbild für die Kinder und Jugendlichen spielen. Dabei geht es primär um das richtige Verhalten im Zusammenhang mit Nähe und Distanz, Sprache, geschlechter-gerechter Pädagogik, transparenten Absprachen im Team und Antidiskriminierungsarbeit. Den Teamer_innen wird dadurch deutlich gezeigt, welches Profil wir als Verband von ihnen erwarten. Dazu gehört während der Ausbildung auch eine persönliche Auseinandersetzung mit den persönlichen Grenzen, der individuellen Beziehung zu Kindern und Jugendlichen und der eigenen Sprache. Diesen Elementen wird während der Ausbildung Zeit eingeräumt und sie sind des Weiteren in Modul der „pädagogischen Grundlagen für Gruppenleiter_innen“ eingebettet. Neben der Beschäftigung mit der aktuellen Lebenswelt von Kinder und Jugendlichen, erarbeiten die Teamer_innen die Kontexte des Konfliktmanagements, demokratischen Gruppenführung, der Pädagogik auf Augenhöhe und schließlich die Grundlagen der Kommunikation. All diese Themen sind aus der Sicht der KSJ wichtige Bausteine, um den Teamer_innen Handwerkzeug für ein gleichberechtigtes Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen an die Hand zu geben, welches gleichzeitig wichtig für die Thematik der Präventionsarbeit ist.
5) Einbettung des Themas in die konkrete Planung von Freizeitveranstaltungen in der Jugendarbeit
Neben der Vermittlung von Grundwissen über die Thematik ist es wichtig, den Jugendlichen und jungen Erwachsenen Handwerkszeug für die konkrete Jugendarbeit mitzugeben. Neben der Möglichkeit, die oben genannten Personen bei Bedarf zu kontaktieren, ist es durch eine engmaschige Zusammenarbeit mit dem BDKJ möglich, den Gruppenleiter_innen konkrete Meldewege anzubieten. Diese Meldewege binden die Ansprechpersonen des Verbandes, den BDKJ und Fachstellen der konkreten Beratung mit ein (siehe Punkt 3. Meldewege, Beschwerdemöglichkeiten und Kritikkultur des Präventionskonzeptes). So möchte die KSJ den Teamer_innen das Gefühl vermitteln, in konkreten Fällen nicht allein gelassen zu werden und nicht die Hauptverantwortung tragen zu müssen. Eine professionelle Begleitung durch den Verband ist daher unabdingbar.
2. Einbindung in das BDKJ-Programm der Ansprechpartner_innen für sexualisierte Gewalt der Mitgliedsverbände
Auf der Diözesanversammlung des BDKJ Trier (Bund der Deutschen Katholischen Jugendverbände) wurde 2012 beschlossen, das Programm der „Ansprechpartner_innen für sexualisierte Gewalt“ (vormals Vertrauenspersonen) ins Leben zu rufen. Der Beschluss der Versammlung kann hier eingesehen und runtergeladen werden:
http://www.bdkj-trier.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Praevention/Material/Beschluss_-_Vertrauenspersonenkonzept.pdf, letzter Abruf am 20.02.2017.
Die KSJ Trier ist durch mindestens eine Person an diesem Programm beteiligt. Die zuständigen Personen werden von der Diözesankonferenz der KSJ gewählt und damit für ihre Arbeit beauftragt. Sie durchlaufen zu Beginn ihrer Tätigkeit eine Schulung, die seitens des BDKJ organisiert wird. Ziel des Programms ist es, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eine Anlaufstelle zu bieten, wenn sie einen Vorfall erlebt, beobachtet oder anderweitig davon erfahren haben und hierzu ein (wenn gewünscht anonymes) Erstberatungsgespräch und ggf. die Empfehlung professioneller Beratungsstellen wünschen. Weitere Informationen hierzu finden sich auf der Homepage des BDKJ:
http://www.bdkj-trier.de/praevention/zustaendige-ansprechpartnerinnen/konzept-material/, letzter Abruf am 20.02.2017.
3. Netzwerkarbeit
Durch die Kommunikation der Ansprechperson mit den anderen Ansprechpersonen besteht ein ständiger Austausch, praktischer und inhaltlicher Natur. Des Weiteren sind wir durch den eigenen Vorfall im Verband (siehe 5.Lernergebnisse aus dem Vorfall Münzel) mit der Betroffeneninitiative MissBit[3] verbunden. Die KSJ Trier unterstützt MissBit als Selbstorganisation von betroffenen Zeug_innen. Bei der Erarbeitung des verbandsinternen Präventionskonzeptes ist Dr. Thomas Schnitzler von Missbit als Berater und Stimme der betroffenen Zeug_innen beteiligt. Diese Kooperation bietet der KSJ die Möglichkeit, die Perspektive der Betroffenen in die Konzeptionierung und Beratung miteinzubeziehen und bei Bedarf an MissBit zu verweisen.
4. Meldewege, Beschwerdemöglichkeiten und Kritikkultur
Mit den Ansprechpartner_innen für sexualisierte Gewalt stehen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen niedrigschwellig geschulte Ansprechpersonen zur Verfügung, die jederzeit per Mail oder telefonisch kontaktiert werden können und der Schweigepflicht unterliegen. Dabei muss nicht zwangsweise die_der Ansprechpartner_in aus dem eigenen Verband kontaktiert werden.
Im Rahmen Programmes der Ansprechpartner_innen für sexualisierte Gewalt wurde eine bistumsweite Meldekette erarbeitet, die für die Arbeit der Ansprechpartner_innen konstitutiv ist. Sie kann hier eingesehen und runtergeladen werden:
http://www.bdkj-trier.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Praevention/Material/Meldekette_2013_final.pdf, letzter Abruf am 20.02.2017
Darüber hinaus werden auf sämtlichen Veranstaltungen der KSJ Trier regelmäßig (mindestens einmal täglich) Reflexionsrunden in das Programm eingebaut, in denen den Teilnehmer_innen und Teamer_innen Raum gegeben ist, Dinge anzusprechen, die ein ungutes Gefühl bei ihnen hervorrufen. Da es viel Überwindung kosten kann, dies vor der ganzen Gruppe zu tun, werden auf sämtlichen Veranstaltungen Beschwerdebriefkästen aufgestellt, in die die Teilnehmer_innen ihr Anliegen schriftlich und in anonymer Form einwerfen können. Das Team schaut täglich nach, ob in dem Beschwerdebriefkasten ein Zettel liegt. Wenn dem so ist, wird das darauf notierte Anliegen in den Reflexionsrunden aufgegriffen.
Alternativ stehen Teilnehmer_innen und Teamer_innen die_der hauptamtliche Bildungsreferent_in mit einer fachlichen pädagogischen Ausbildung und/oder die Ansprechpartner_innen für sexualisierte Gewalt zur Verfügung, die während oder nach der Veranstaltung kontaktiert werden können.
Auf der Gruppenleiter_innenschulung der KSJ Trier ist das Einüben einer konstruktiven Kritikkultur ein expliziter Bestandteil des Programms. Das Ziel dieser Themeneinheit ist es, den angehenden Teamer_innen die Fähigkeiten zu vermitteln, konstruktive von destruktiver Kritik zu unterscheiden, selbst konstruktiv Kritik üben zu können und selbst mit Kritik in einer pädagogisch verantwortlichen Art und Weise umgehen zu können, die an ihnen selbst geübt wird. Das hinter der Themeneinheit stehende Motiv besteht darin, zu lernen, dass Kritik (auf Veranstaltungen, von Seiten der Teilnehmer_innen, im Team selbst etc.) ein wichtiger Bestandteil pädagogischer Praxis ist und so auf Veranstaltungen zu einer Atmosphäre beizutragen, die Teilnehmer_innen und Teamer_innen ermutigt, Dinge anzusprechen, die ihnen negativ auffallen. Dabei geht es nicht nur um die Frage nach Grenzverletzungen, Übergriffen und sexualisierte Gewalt, sondern auch um die scheinbar banale Möglichkeit, aussprechen zu können, dass einer_einem das Essen nicht geschmeckt hat oder Programmpunkte nicht gefallen haben.
5. Präventionsbeauftragte_r der KSJ Trier
In Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Fall Münzels (siehe folgender Punkt des Präventionskonzepts) ist das Amt der_des Präventionsbeauftragten entstanden. Es sollte im Idealfall paritätisch besetzt sein. Während des Aufarbeitungsprozesses umfassten die Aufgabe der Präventionsbeauftragten die Aufarbeitung des Fall Münzels, die Abstimmung darüber mit der Diözesanleitung und die Gestaltung des Aufarbeitungs- und Lernprozesses im Verband. Nachdem die Aufarbeitung des Falls Münzels Anfang 2016 vorerst ruhen gelassen wurde, kümmern sich die Präventionsbeauftragten um weiterhin vereinzelt eintreffende Anfragen zum Fall und halten das Thema in der Diözesanleitung und der KSJ-Arbeit in der Diskussion. Darüber hinaus stehen sie den Teamer_innen der KSJ und Teilnehmer_innen bei Veranstaltungen als Anlaufstellen neben der hauptamtlichen Kraft (Bildungsreferent_in) zur Verfügung.
Die Präventionsbeauftragen werden jährlich von der Diözesankonferenz gewählt.
6. Lernergebnisse aus dem Fall Münzel
Zu Beginn des Jahres 2014 wurde die KSJ Trier von einer Person kontaktiert, die angab, sexualisierte Gewalt durch den inzwischen verstorbenen ehemaligen Diözesankaplan und Geistlichen Leiter der KSJ Trier, Hermann Münzel, erlebt zu haben. Daraufhin wurde ein Aufarbeitungsprozess initiiert, in dessen Verlauf sich die KSJ durch eine drei- bzw. nach der Herbstkonferenz 2015 zweiköpfige Arbeitsgruppe mit der Geschichte der betroffenen Person auseinandersetzte und Gesprächen mir Ehemaligen und anderen Menschen führte, die der KSJ nahestanden oder nahe stehen. Der Prozess wurde begleitet von Thomas Schnitzler von der Betroffeneninitiative MissBit (Missbrauch im Bistum Trier) und Birgit Wald, der Leitung der Fachstelle Kinder- und Jugendschutz im Bistum Trier. Aus dem Aufarbeitungs- und Lernprozess wurden von der Arbeitsgruppe um Susanne Maron, Jutta Lehnert und Jonas Becker folgende Ergebnisse identifiziert, die für die weitere Arbeit der KSJ maßgeblich sein sollen:
1) Die notwendige Erweiterung der NAWU (Nachwuchsgruppenleiter_innenschulung)
Dies geschieht derart, dass den angehenden Teamer_innen vermittelt wird, dass auch sie potentiell von sexualisierter Gewalt betroffen sein können. Neben ihrer pädagogischen Verantwortung, sensibel mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen umzugehen, um Grenzverletzungen und Übergriffe zu vermeiden muss ihnen bewusst gemacht werden, dass auch sie selbst in Abhängigkeitssituationen geraten können, in denen die Gefahr besteht, selbst Grenzverletzungen und Übergriffe zu erleben. Dies trifft auch für volljährige Teamer_innen zu.
2) Eine Reflexion der verbandlichen Fehler- und Kritikkultur
Die KSJ setzt sich ein Klima zum Ziel, in dem Fehler erlaubt sind und als Lernanlässe fungieren können. Jedem Menschen können Fehler unterlaufen, egal wie erfahren und routiniert sie_er ist. Um einen guten Umgang mit der Kommunikation und Fehlern zu gewährleisten, ist Kritikfähigkeit ein zentraler Kern pädagogischer Arbeit (siehe dazu auch Punkt 4 des Konzeptes). Rückfragen sind ausdrücklich erwünscht. Störungen haben in pädagogischen Interaktionen Vorrang und sollten aufgegriffen werde, da sie ein Kanal sein könnten, über den Kinder und Jugendliche Unmut äußern, falls sie diese nicht anders äußern oder verbalisieren können oder möchten. Als hier implizites wirkmächtiges bildungsphilosophisches Programm kann Adornos Forderung nach der „Erziehung zur Mündigkeit“[4] genannt werden. Diese bedeutet für ihn eine Erziehung zum Widerspruch und zur Widerständigkeit. In diesem Verständnis werden Verhaltensweisen, die als störend empfunden werden, nicht als Delinquenz abgetan und betroffene Kinder und Jugendliche stigmatisiert, sondern die Störungen werden als kommunikative Äußerungen verstanden, anhand derer sich zeigt, dass Besonderes und Allgemeines nichtidentisch sind und die damit eine pädagogische Intervention erfordern.
3) Das Vermeiden von Personenkult
Die überhöhte Darstellung einer Person sowie deren unreflektierte Verehrung kann es anderen Menschen schwer oder sogar unmöglich machen, diese Person für etwaige Fehler oder ungute Verhaltensweisen zu kritisieren, ohne dadurch (informelle) Sanktionen durch die Gruppe fürchten zu müssen. Einer konstruktiven Fehler- und Kritikkultur steht ein Personenkult grundsätzlich im Weg. Zudem birgt er die Gefahr, eine Gruppe zu spalten und inhaltliche Auseinandersetzungen in der Gruppe emotional aufzuladen, sodass sachliche Auseinandersetzungen erschwert werden.
4) Zurückhaltung in der Verurteilung von zunächst unverständlichen Verhaltensweisen und stattdessen der Versuch, diese entschlüsseln zu können
Es ist pädagogisch unverantwortlich, sogenannte verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche zu stigmatisieren, außenvorzulassen, auszulachen oder durch Repressionen zum Verstummen zu bringen[5]. Wer die Erfahrung macht, ausgelacht zu werden, nicht anerkannt zu sein und in seinen Bedürfnissen nicht angenommen zu werden, kann durch die hieraus resultierende Isolation zum „idealen Opfer“ werden. Sogenannte Verhaltensauffälligkeiten dürfen daher nicht dazu verleiten, die Kinder und Jugendlichen zu verurteilen und als „Störer_innen“ abzutun, sondern erfordern eine erhöhte pädagogische Aufmerksamkeit und Sensibilität seitens des Teams. Für die ehrenamtlichen Teamer_innen bedeutet das eine große Verantwortung und unter Umständen eine große Herausforderung. Unterstützung und Beratung finden erhalten sie etwa durch die pädagogische hauptamtliche Kraft (Bildungsreferent_in), die die Teams professionell begleitet.
7. Literatur zum Thema sexualisierte Gewalt und Prävention
Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz, Landesstelle NRW e.V. (Hg.): Gegen sexuellen
Missbrauch an Mädchen und Jungen. Ein Ratgeber für Mütter und Väter, Köln,132014.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): Mutig fragen- besonnen handeln.
Informationen für Mütter und Väter zur Thematik des sexuellen Missbrauchs an Mädchen und Jungen, Rostock, 62012.
Kostenlos erhältlich, Artikelnummer 5BR56
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): Die Rechte der Kinder. Von
„logo!“ einfach erklärt, Rostock, 2014.
Kostenlos erhältlich, Artikelnummer 5BR156
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.): Sexueller Missbrauch (Zeitschrift „FORUM.
Sexualaufklärung und Familienplanung, Heft 3/ 2010, Köln.
Kostenlos erhältlich, Bestellnummer 13329216
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.): Trau dich! Du bist stark! (Für Mädchen), Köln,
Kostenlos erhältlich, Bestellnummer 16100206
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.): Trau dich! Du bist stark! (Für Mädchen), Köln,
Kostenlos erhältlich, Bestellnummer 16100205
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.): Trau dich! Ein Ratgeber für Eltern, Köln,22014.
Kostenlos erhältlich, Bestellnummer 16100102
Deutsches Rotes Kreuz, Landesverband Nordrhein e.V./ Arbeitsgemeinschaft Kinder- und
Jugendschutz, Landesstelle NRW e.V. (Hg.): 100% ICH. Eine Methodentasche zur Prävention sexueller Gewalt, Düsseldorf, 32015.
Enders, Ursula (Hg.): Grenzen achten. Schutz vor sexuellem Missbrauch in Institutionen. Ein
Handbuch für die Praxis, Köln, 2012.
Fachstelle für Kinder und Jugendpastoral Trier: Kinder schützen – Eine Information für
(ehrenamtliche) Gruppenleiter_innen in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit, 2010.
Kostenlos erhältlich bei der Fachstelle für Kinder und Jugendpastoral
Fachstelle Kinder- und Jugendschutz im Bistum Trier/ Arbeitsbereich Jugendeinrichtungen 1.6.2 im
Bistum Trier/ Bund der Deutschen katholischen Jugend im Bistum Trier (Hg.): Schutz vor sexualisierter Gewalt in der Kinder- und Jugendarbeit. Informationen, Anregungen, Arbeitsmaterial, Trier, 2015.
Zum Download unter http://www.praevention.bistum-trier.de/basisinformation/fachinformationen-fuer/kinder-jugendarbeit/freizeitenordner.html, letzter Abruf am 20.02.2017
Fegert, Jörg/ Hoffmann, Ulrike/ König, Elisa/ Niehues, Johanna/ Liebhardt, Hubert (Hg.): Sexueller
Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Ein Handbuch zur Prävention und Intervention für Fachkräfte im medizinischen, psychotherapeutischen und pädagogischen Bereich, Berlin und Heidelberg, 2015.
Günderoth, Miriam: Kindeswohlgefährdung. Die Umsetzung des Schutzauftrages in der
verbandlichen Jugendarbeit, Gießen, 2017.
Heiliger, Anita: Täterstrategien bei sexuellem Missbrauch und Ansätze der Prävention. In:
Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis 56/57, S. 71-82, 2001. Online unter
http://www.dji.de/fileadmin/user_upload/stellungnahmen/gewaltundgeschlecht/artikeltaeterstrategien.htm, letzter Abruf am 20.02.2017
KLJB Regensburg (Hg.): Grenzen achten. Das Thema „Prävention sexueller Gewalt“ als Baustein in
Gruppenstunde und GruppenleiterInnenkurs, Regensburg, 2007.
Zum Download unter http://www.kljb-muenchen.de/fileadmin/user_upload/Download/Praevention_sexualisierter_Gewalt/Arbeitshilfe_Praev_Rgb.pdf, letzter Abruf am 20.02.2017
Lebenshilfe Bremen e.v. (Hg.): Kindes-Wohl, Kindes-Wohl-Gefährdung. Was ist das? Ein Heft in
leichter Sprache, Bremen, 32014.
PSG Bundesamt (Hg.): „Wenn ich Nein sag, mein ich´s auch!“. Prävention von sexueller Gewalt.
Arbeitshilfe für Leiterinnen, Düsseldorf, 2006.
SoFiA e.V./ Inshuti e.V./ KSJ Trier (Hg.), Kultur der Aufmerksamkeit gegenüber sexualisierter Gewalt.
Dokumentation zur Internationalen Fachtagung vom 9. bis 13.9.2015 in Haus Wasserburg, Trier,
2015.
8. Links und Ansprechstellen
http://www.ajs.nrw.de/sexualisierte-gewalt/: Auf der Homepage der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendschutz NRW (in Köln) findet Ihr viel Material und Kontakte zu weiteren Anlaufstellen.
https://beauftragter-missbrauch.de/ : Unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Missbrauchs.
http://www.bdkj-trier.de/praevention/zustaendige-ansprechpartnerinnen/: Das ist der Link zu den Ansprechpartner_innen der Verbände im BDKJ. Hier könnt Ihr euch anonym beraten lassen, wenn Ihr selbst Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht habt, sexualisierte Gewalt beobachtet habt oder auch, wenn ihr einfach eine Situation erlebt oder beobachtet habt, in der euch etwas nicht richtig vorkam und ihr davon jemandem erzählen möchtet. Wir haben Kontakte zu vielen anderen professionellen Stellen und können mit Euch zusammen überlegen, was euch in der jeweiligen Situation helfen würde und wie wir weiter vorgehen sollen, wenn Ihr das möchtet.
http://www.bistum-trier.de/jugend/rechtundversicherung/: Auf dieser Seite der Abteilung Jugend im Bistum Trier findet Ihr weitere Arbeitshilfen und Broschüren zum Thema, etwa die Arbeitshilfe zum erweiterten Führungszeugnis oder das Schulungshandbuch zum Thema Kindeswohlgefährdung.
http://www.bzga.de/: Auf der Homepage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung findet Ihr viele Informationen, Materialien und Links.
http://www.innocenceindanger.de/: Innoncence in Danger setzt sich vor allem mit dem Themenfeld sexualisierter Gewalt in und durch neue Medien auseinander.
http://www.schulische-praevention.de/: Schulische Prävention gegen sexualisierte Gewalt
http://www.lebensberatung.info/: Die Lebensberatung ist eine Beratungsstelle zu Erziehungs-, Ehe- und Familienfragen. Es gibt verschiedene Beratungsstellen in Rheinland- Pfalz.
http://www.lebensberatung.info/hilfe-im-web/: Die online- Beratung ist ein anonymes Beratungsangebot der Lebenshilfe im Bistum Trier.
http://www.praevention.bistum-trier.de/: Bei der Fachstelle Kinder- und Jugendschutz im Bistum Trier erhaltet Ihr Material, Infos und Kontakte zu Ansprechpersonen.
https://www.multiplikatoren.trau-dich.de/: Hier gibt es Informationen zur bundesweiten Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs sowie entsprechende Begleitmaterialien (auch für Erwachsene)
http://www.praevention.bistum-trier.de/fachstelle-kinder-und-jugendschutz/ueber-uns.html: Über die Homepage der Fachstelle Kinder- und Jugendschutz im Bistum Trier findet Ihr Informationen zur Arbeit der Fachstelle sowie Kontaktdaten zu professionellen Ansprechpersonen in Trier und ganz Rheinland-Pfalz.
http://www.trau-dich.de/: Hier findest Du Informationen zum Thema sexueller Missbrauch, Selbstbestimmung und Kinderrechte (für 8-12 jährige Kinder)
http://www.wildwasser-frankfurt.de/: Wildwasser e.V. (in Frankfurt am Main) ist eine Fachberatungsstelle gegen sexuellen Missbrauch, viele Informationen und Berat5ung (vor allem für betroffene Mädchen und Frauen) anbieten
http://www.zartbitter.de/gegen_sexuellen_missbrauch/Aktuell/100_index.php: Zartbitter e.V. (in Köln) ist eine Anlaufstelle, die viele Materialien und Beratungsangebote zur Verfügung stellt.
[1] Heiliger, Anita (2001): Täterstrategien bei sexuellem Missbrauch und Ansätze der Prävention in: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis 56/57, 2001, S. 71 – 82. Online unter http://www.dji.de/fileadmin/user_upload/stellungnahmen/gewaltundgeschlecht/artikeltaeterstrategien.htm, letzter Abruf am 20.02.2017.
[2] Ebd.
[3] Missbrauch im Bistum Trier. Zur Homepage der Initiative unter http://missbrauch-im-bistum-trier.blogspot.de/, letzter Abruf am 20.02.2017
[4] Theodor W. Adorno (242013/ orig. 1971): Erziehung zur Mündigkeit. In: Ders.: Erziehung zur Mündigkeit. Vorträge und Gespräche mit Hellmut Becker 1959-1969. Herausgegeben von Gerd Kadelbach. Frankfurt am Main, S. 133-147.
[5] Als Negativbeispiel hierfür vgl. die beschriebene Erziehungspraxis in Imeri, Sabine/ Schrapper, Christian/ Ströder, Claudia (2016): Verwaltet und vergessen – Erinnerungen an staatliche Heimerziehung in Rheinland-Pfalz 1945 bis 1975. Berlin.